Rechtsanwalt Elmar Becker hat für Anwälte für Aufklärung folgende Pressemitteilung am 26.03.2021 herausgegeben:
Elmar Becker
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Arbeitsrecht
0171 4602820
Kommentar zum Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23.03.2021 – 15 Ca 566/20 -
„Ohne Arbeit kein Lohn“! Gilt dieser arbeitsrechtliche Grundsatz in Zeiten von Corona auch, wenn der Arbeitgeber (AG) einen Arbeitnehmer (AN) ohne Vergütung freistellt, weil er keine Maske tragen kann?
Mit dieser grundsätzlichen Frage hat sich das Arbeitsgericht HH auseinandergesetzt und mit Urteil vom 23.03.2021 entschieden, dass der Arbeitnehmer (AN) seinen Anspruch auf Vergütung während der Freistellung behält.

Im konkreten Fall hat der AG einen langjährigen Bankmitarbeiter mit sofortiger Wirkung von der Arbeit ohne Vergütung freigestellt, weil er ein ärztliches Attest vorgelegt hat, in dem ihm bestätigt wurde, dass er keine Maske tragen konnte. Der Arbeitgeber hat das Attest nicht anerkannt und den AN zur Betriebsärztin geschickt, die dann aber bestätigt hat, dass die Maskenbefreiung aus gesundheitlichen Gründen indiziert ist.
Der AN hat Klage erhoben und Zahlung seiner vertraglich vereinbarten Vergütung für fünf Monat verlangt. Begründet hat er seinen Anspruch damit, dass er gesund sei und auch arbeiten wolle. Arbeitsvertraglich habe er sich auch nicht zum Tragen einer Maske verpflichtet. Verweigere die AG die Beschäftigung, dann müsse sie trotzdem zahlen, weil sich die AG im Annahmeverzug befinden würde. Schließlich hat der AN seine Klage damit begründet, dass er die Risiken der Pandemie und der Maßnahmen nicht zu vertreten habe. Der AN hat auch angeboten, im Home-Office zu arbeiten oder im Online-Bereich ohne Kundenkontakt.
Die AG hat sich im Prozess damit verteidigt, dass der AN gemogelt und sich die ärztliche Maskenbefreiung erschlichen habe. Mit dieser Argumentation hat die AG sogar im Wege der Widerklage Rückzahlung von Gehalt gefordert und dem Kläger noch eine Abmahnung erteilt wegen angeblicher Verstöße gegen das Hygienekonzept.
Die Bank, immerhin mit mehr als 2.000 AN und auf kommunaler Ebene tätig, hat auf ganzer Linie verloren, sie muss ca. 25.000 EUR nachzahlen und obendrein noch die Abmahnung aus der Personalakte entfernen.
Die von dem Kläger geltend gemachten rechtlichen Erwägungen waren letztlich nach Auffassung des Arbeitsgerichts zutreffend. Nicht die AN tragen die Risiken der Pandemie, sondern der Arbeitgeber. Tragendender Grund dafür ist die bereits von dem Reichsgericht entwickelte Betriebsrisikolehre, die in ihrer Kernaussage auch in § 615 BGB Eingang gefunden hat. Danach muss der AG alle in seiner Sphäre gelagerten Risiken, die nur er beherrschen kann und verantworten muss, tragen. Dies ist beispielhaft entschieden für Stromausfälle und Lieferengpässe.
Entscheidend in diesem Fall war ein weiterer Aspekt: Der Kläger konnte geltend machen, dass eine anderweitige Beschäftigung, insbesondere im Home-Office möglich war bzw. in der kontaktlosen Online-Beratung. Der Arbeitgeber ist verpflichtet alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um eine Weiterbeschäftigung zu ermöglichen. Und: Die sofortige Freistellung von der Arbeit ohne Vergütung kommt einer fristlosen Kündigung gleich – nur dagegen könnte sich der AN mit einer Kündigungsschutzklage wehren. Diese Möglichkeit ist ihm bei einer einseitigen Freistellung verwehrt.
Mit dem Urteil hat das ArbG Rückgrat gezeigt und dem Trend entgegengewirkt, dass den Letzten in die Hunde beißen. Eine dringende Korrektur, zumal die AG zunehmend Verstöße gegen Maskentragungspflicht als willkommenes Mittel entdeckt haben, AN zu disziplinieren.
Das Urteil weist in die richtige Richtung und holt verloren gegangenes Vertrauen in die Rechtsprechung, die zum großen Teil Alles durchgewunken und zu Lasten der Bürger entschieden hat.